Geschichten

Insight: Das Leben ohne Job (Teil 2)

Um es gleich vorweg zu nehmen: Der letzte Job fehlt uns überhaupt nicht. Die Firma noch viel weniger. Wir haben keine Schwierigkeit, unserem Tag eine Struktur zu geben, unsere Hosen waren vor der Kündigung schon zu eng, auch mit der Körperhygiene klappt es weiterhin ganz wunderbar. Ihr seht, das funktioniert soweit.

Allerdings haben wir kurzzeitig die Richtung von Langschläfern eingeschlagen. Dieser Tendenz wurde dank Wecker erfolgreich entgegengewirkt. Jetzt sind wir wieder, wie gewohnt, früh auf den Beinen. Carpe Diem undso!

Trotzdem gibt es etwas, das uns jetzt schon einige Monate beschäftigt – das Finden von Antworten auf die Fragen:

  1. „Was wollen wir machen, um Geld zu verdienen?“ und
  2. „Worüber reden wir denn jetzt?“

Da die Beantwortung von Nummer 1 weiterhin offen ist, lasst uns zuerst einen Blick auf die Nummer 2 werfen.

Beziehungskrise?!

Erwerbslose Menschen, wie z.B. Rentner, werden sich diese Frage gewiss auch schon das eine oder andere Mal gestellt haben: worüber redet ein Paar am Abend, wenn man aufgrund des fehlenden Jobs nicht mehr acht Stunden am Tag an unterschiedlichen Orten verbringt? Wo ist der gemeinsame Nenner? Diesen wiederzufinden ist die erste gravierende Herausforderung mit der Rabbi und ich seit unserem Ausstieg konfrontiert sind. Diese erwischt uns ziemlich kalt. So kalt, dass es sich fast zu einer echten Beziehungskrise entwickelt.

„Beziehungskrise? Also, wenn Ihr vorher schon keine anderen Themen hattet, dann war das doch zu erwarten, oder?“ Diese Gedanken mögen dem einen oder anderen von Euch sicherlich gerade durch den Kopf gehen. Vielleicht sogar zurecht. Aber habt Ihr Euch schon einmal die Frage gestellt, worüber Ihr in Eurer Partnerschaft reden würdet, wenn Ihr nicht mehr arbeitet? Wir sind auf jeden Fall ziemlich überrascht von der Situation, die uns gerade überrollt.

Acht Stunden mehr Zeit?!

Bislang waren wir es gewohnt, dass uns der Gesprächsstoff inklusive Gesprächspartner frei-Haus geliefert wird: die Firma, der Chef, die Aufgaben, die Kollegen. Da wir im selben Unternehmen tätig waren, konnten wir uns lange und intensiv über Themen des Arbeitsalltages austauschen. Aufgrund unserer unterschiedlichen fachlichen Ausrichtung, partizipierten wir perfekt voneinander. Zudem waren wir im Schnitt mindestens acht Stunden am Tag mit unterschiedlichen Dingen beschäftigt.

Nach Feierabend wurde zusammen eingekauft, gekocht und gegessen. Meist ging es dann noch eine Runde Spazieren, Shoppen oder Radfahren. Am Wochenende trafen wir ab und an unsere Freunde oder fuhren zu den Eltern. Die restliche Zeit galt den eigenen Interessen. Bei Rabbi ist es das Zocken, bei mir die Fachliteratur. Nicht selten habe ich drei Bücher parallel gelesen. Jetzt haben wir keinen Platz für schweres Papier, sodass ich vor dem Umzug in die Elfie alles, was ging, digitalisiert habe. Allerdings macht mir das Lesen auf einem elektronischen Endgerät einfach keine Freude. Also heißt es für mich, auch diese Lücke zu füllen.

Und was kommt jetzt…?

Da unsere Elfie keine Rappelkiste ist, kommt auch kein Karton. Wir konzentrieren uns also zunächst auf unsere individuellen Interessen. Dies geschieht ganz automatisch. Rabbi verbringt seine Zeit mit Zocken, lustigen Youtube-Videos oder irgendwelchen Recherchen im Netz über Camper-Ausbauten. Ich langweile mich, weil sich meine Motivation auf einem Nullpunkt befindet, all die zahlreichen Projektideen in meinem Kopf umzusetzen. Das Reden ist auf ein Minimum beschränkt. Was sollen wir uns auch berichten? Eine wirklich unangenehme Mischung.

Langeweile führt ja bekanntermaßen nicht selten zu Unzufriedenheit. Gepaart mit dem fehlenden Interesse, sich für die Themen des jeweils anderen zu begeistern, sitzen wir quasi nach nur ein paar Wochen Erwerbslosigkeit auf einem Pulverfass. Keiner von uns hat damit gerechnet. Trotz der Enge zweisam einsam oder stumpf nebeneinander her leben, wollen wir nicht.

Mehrfach streiten wir so arg, wie schon seit 15 Jahren nicht mehr. Das Experiment „Ausstieg“ scheint zu scheitern, bevor es richtig begonnen hat. Wir müssen schnellstmöglich die Notbremse ziehen.

Dem Prinzip des geringsten Widerstandes folgend greifen wir nach dem Naheliegenden und nehmen uns vor, dem Thema „Reiseplanung“ mehr Aufmerksamkeit zu widmen.

Haste mal ’nen Plan?

Von einem Tag auf den anderen die Orte zu wechseln, wenn irgendwas nicht passt oder wir Hummeln im Hintern haben, ist genau unser Ding. Einfach weiterziehen, Neues entdecken. Die leidenschaftlichen Reisenden verkörpern wir jedoch nicht. Wir besitzen keine Reiseführer, planen keine Touren und betreiben keine großartige Länderrecherche. Maximal schauen wir, ob es Dinge gibt, die in einem fremden Land ggf. als unangebracht angesehen werden.

Neugierde ist zwar mehr als genug vorhanden, dennoch lassen wir die Dinge gerne einfach passieren. Sind lieber hinterher positiv oder eben auch negativ überrascht.

In der Theorie haben wir schon sämtliche Kulturstädten der Welt besucht. In der Praxis kommen wir diesbezüglich allerdings so gar nicht aus dem Quark. Teilweise überfordern uns die zahlreichen Informationen, Rezessionen, Reiseblogs und Beiträge. Wir wollen wahrscheinlich zu viel auf einmal und wissen anschließend erst recht nicht, was wir machen sollen. So kommt es, dass wir, jedes Mal, wenn wir einen Plan aufstellen, diesen binnen zwei Stunden wieder über Bord werfen. Alles in Allem stellt das Thema „Reiseplanung“ für uns folglich keine echte Option dar. Es fehlt an Geduld und Ausdauer.

Schatz, wir sollten reden!

Schließlich kommt es, wie es kommen muss: der nächste große Knall lässt nicht lange auf sich warten. Dieses Mal brauchen wir mehrere Anläufe, um miteinander über die vorherrschende Situation zu reden. „Eigentlich“ haben wir damit keine Probleme. „Eigentlich…“. Die Kommunikationsschwierigkeiten sind zwar neu für uns, aber wenig verwunderlich, weil wir nicht nur unsere Beziehung, sondern auch uns selbst sortieren müssen. Immerhin steht ja noch die nicht ganz triviale Frage im Raum, wie unser künftiges Arbeitsleben aussehen soll.

Ein Projekt muss her!

Ganz die Projektmanagerin schlug ich vor, dass wir uns ein gemeinsames Projekt, ein Thema suchen. Quasi, als verbindendes Element. Jeder von uns könnte sich eine Art Arbeitspaket herauspicken, dass letztlich einen Beitrag zu eben diesem Projekt leistet. Das muss ja gar nichts Großartiges sein. Irgendwas, z.B. Optimierungen an der Elfie oder, was wir tun können, um Geld zu verdienen.

Rabbi und ich sind allerdings überhaupt nicht gut darin, uns gegenseitig zu motivieren. Im Gegenteil: wir sind sehr gut darin, uns ausgerechnet in solchen Dingen gegenseitig auszubremsen, die unbequem sind bzw. Disziplin erfordern. Egal, ob es Sport, gesünderes Essen, weniger Alkohol, den Aufbau eines eigenen Business oder das Erlernen einer neuen Fähigkeit betrifft.

Erschwerend hinzu kommt, dass unsere Begeisterungsfähigkeit genauso schnell verschwindet, wie sie gekommen ist. Typisch für das Sternzeichen Zwilling, ohne jetzt zu weit in die esoterische Ecke abzudriften.

Folglich gibt es das Projekt bis heute nicht. Allerdings zeigt sich anhand dieses Ansatzes, das wir unsere beruflich geprägten Verhaltensmuster nicht einfach mal so abstreifen und, dass es manchmal gar nicht so schlecht ist, einen Job zu haben.

Und plötzlich läuft es…!

Zu welchem Zeitpunkt wir uns letztlich auf die neue Situation eingestellt haben, können wir nicht genau sagen. Auf einmal war wieder mehr Interaktion bei uns vorhanden.

Unsere Tage sind jetzt größtenteils eine gute Mischung von Ruhe, Abwechslung und Überraschung. Darüber hinaus haben wir ein neues Hobby namens „Portale von Molthar“ – danke an Mirjam und Sebastian für den heißen Tipp!

Zwei Stunden pro Tag sind zum Spanisch üben geblockt. Ehrlicherweise schwächeln wir hier komplett. Lernen lässt sich nicht ganz so gut mit der Fahrerei und den damit verbundenen gewonnenen Eindrücken vereinbaren. Wenn wir irgendwo ankommen, sind wir in der Regel dann doch echt kaputt. Dafür schauen wir mehr spanische Serien und versuchen, auf diesem Weg unsere Sprachkenntnisse zu erweitern.

Die „Hausarbeit“ wird gemeinsam erledigt. Irgendwie hat sich die Leere, die sich durch den Wegfall des Jobs ergeben hat, schnell wieder gefüllt. Gottlob, denn das war schon eine ziemlich beängstigende Situation.

Und wieder geht’s ums Geld

Wir schließen diesen Beitrag noch mit einem kurzen Abstecher zum Thema „Kohle“. Jeden Cent zweimal umzudrehen ist mal mehr, mal weniger eine Herausforderung. Die guten Seiten haben wir im Artikel „Es lebe der Bussy-Bär!“ bereits beschrieben. Ehrlichweise ist es aber auch echt nervig zwischendurch.

So spartanisch, wie momentan, haben wir zuletzt zu unserer Studentenzeit gelebt. Trotz aller Entbehrungen liegen wir leider weiterhin jeden Monat weit über unserem geplanten Budget. Dass aktuell noch valide Lösungsansätze fehlen, nervt mich und damit schließlich auch Rabbi. Happy Wife, happy Life und so weiter, da ist schon was dran.

Zusammenfassend können festhalten: die neu gewonnene Zeit bietet schier unendliche Möglichkeiten. Diese wirklich bestmöglich zu nutzen ist nicht so einfach, wie es uns unsere Vorstellung im Erwerbsleben vorgegaukelt hat. Es ist ein Prozess und in diesem stehen wir ganz am Anfang.

Da ich schon etwas länger Zeit habe, mich mit mir selbst auseinanderzusetzen, ist mir inzwischen bewusst, dass ich eine Arbeit brauche. Ansonsten bekomme ich meine Existenzängste gar nicht mehr in den Griff. Das Problem ist nur, ich weiß, was ich nicht möchte, aber nicht, was es an Alternativen gibt.

Für Rabbi ist alles noch ganz neu. Er ist ganz entspannt und genießt seine freie Zeit. Es sei ihm von ganzem Herzen gegönnt!

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