Bienvenue en France - die Bretagne ruft

Die Bretagne ruft! – Unser Reisetagebuch (Woche Eins)

Die Bretagne ruft und zwar nach uns! Nachdem wir diese Region bislang eher stiefmütterlich behandelt haben, wollen wir der größten Halbinsel Frankreichs etwas mehr Zeit widmen. Dass unser Rendez-Vous am Ende so lange dauern würde, hätten wir selbst nie gedacht. Woran das liegt und, in welchen Ort wir uns schockverliebt haben, erfahrt Ihr in unserem neuen Tagebuch „Die Bretagne ruft!“. Wir wünschen viel Spaß!

Tagebucheinträge

Klicke auf den Link des jeweiligen Datums und lese, was wir an diesem Tag erlebten:

Mittwoch, 02.08.2023 Abfahrt: Nordkirchen Capelle Ankunft: Wissant (Pas-de-Calais, Hauts-de-France) (498 Kilometer)

Nicht jedem erschließt sich diese Reiseroute, wenn man eigentlich nach Portugal möchte.

Nach einer ruhigen Nacht irgendwo im Nirgendwo von Nordkirchen Capelle verlassen wir das regnerische Deutschland, um in das noch regnerische Frankreich zu fahren. Mit einem geradezu stürmischen „Bienvenue“ begrüßt uns das Tief „Patricia“ bereits an der Landesgrenze.

Wo isser hin?!

Nach einem kurzen, aber selbstverständlichen Abstecher zu unserem Lieblings-Fleischer in Bourbourg, fahren wir Richtung Sangatte. Wieder einmal beschäftigt uns die Frage: wie in Gottes Namen können die Belgier nur so beschis…Straßen haben?

In Sangatte angekommen bestätigen sich unsere Befürchtungen: die Gemeinde (oder wer auch immer) hat unseren dortigen Lieblingsplatz für Wohnmobile tatsächlich gesperrt. Das ist superschade, denn wir haben uns, trotz des echt bescheidenen Wetters, auf einen Gang zum Cap Blanc-Nez gefreut. Dat war ein Satz mit X, dat war wohl nix.

Etwa 11 Kilometer weiter finden wir zwischen anderen zahlreichen Reisenden ein freies Plätzchen auf einem offiziellen, kostenlosen Stellplatz. Bauarbeiten lassen erahnen, dass dieser in absehbarer Zukunft wohl nicht mehr umsonst sein wird.

Ist schon Herbst, oder was?

Es kübelt, wie aus Eimern und windet ordentlich. Zwar stehen wir einigermaßen geschützt, dennoch schaukelt die Elfie ganz gut. Irgendwann in der Nacht ist endlich Ruhe. Am nächsten Morgen entschädigt uns der Himmel mit Wolken, aus denen zumindest kein Regen mehr fällt. Wir nutzen die Gelegenheit, um uns Richtung Cap Gris-Nez aufzumachen, für morgen ist nämlich schon wieder Mistwetter angesagt. Aber Morgen ist morgen – Ooohm!

Der Himmel immer wieder beeindruckend

Ja, wo laufen sie denn…?

Mutig, wie wir sind, verzichten wir auf die Regenjacken. Die Wolkendecke weicht zunehmend der Sonne, was unsere Herzen gleich höher schlagen lässt. Der Wind hat etwas nachgelassen, für die anwesenden Kite-Surfer herrschen aber weiterhin paradiesische Verhältnisse.

Es ist August und somit einiges los in Wissant. Wir kehren den Urlaubern den Rücken, um entspannt über den breiten Sandstrand zu schlendern. Begleitet werden wir hierbei von der lauten Brandung.

In weiter Ferne das Cap Blanc-Nez

Apropos Brandung

Auch am Ärmelkanal gibt es einen Tidenhub und dieser ist nicht ohne. Wo sich der Strand in einem Moment noch in seiner besten Manier präsentiert, kann es in wenigen Stunden ganz anders aussehen. Das geht manchmal schneller, als man denkt. Daher empfiehlt es sich, immer einen Blick in den Gezeitenkalender zu werfen und den Rückweg rechtzeitig einzuplanen, sonst sind nasse Füße vorprogrammiert.

Da wir keine Ahnung haben, wie denn wohl die Alternativroute zurück zur Elfie aussieht, entscheiden wir aufgrund der nahenden Flut, den Spaziergang zum Cap auf ein anderes Mal zu verlegen.

Meer ist einfach geil!

Klein, aber ohoouups!

Etwas flotteren Schrittes geht es also zurück. Wie mir gerade auffällt ist „Flott“ ein echtes Oldschool-Wort,…egal…weiter im Text. Bei Rabbi und mir ist es Usus, dass wir möglichst nie dieselben Wege ein zweites Mal gehen. Folglich lassen wir die erste Treppe zur Promenade links liegen und verbleiben am Strand. Weitere 100 Meter später gibt es einen zweiten Aufgang. Das Wasser vor uns sucht sich inzwischen seinen Weg in Richtung Land. Die trockenen Bereiche überwiegen allerdings weiterhin. Unter den wachsamen Augen eines auf der Treppe stehenden Herren entschieden wir uns, unserem Schuhwerk zu vertrauen und auch diese Aufstiegsmöglichkeit aus zu lassen, um unseren Weg im Sand fortzusetzen.

Natürlich haben wir den kleinen Rinnsal gesehen, der uns vom nächsten trockenen Strandabschnitt trennt. Kurzzeitig fragen wir uns, warum besagter Mann auf seinem Treppenabsatz so auffällig grinst, schieben aber jegliche Theorien beiseite und setzen zum Gang durch die Wasserrinne an. Sieht ja schließlich nicht so tief aus. Uups!

Wie hat’s gemacht? Uuhuupps! Merke: Wie im wahren Leben, sollte man die klein erscheinende Dinge nie unterschätzen.

Der vermeintliche Rinnsal entpuppt sich bereits nach dem ersten Schritt als absolute Mogelpackung. Schlagartig ist uns klar, warum wir uns für den Herren auf seinem, wohlgemerkt trockenen Beobachtungsposten, so offensichtlich zum Horst gemacht haben: plötzlich stehen wir nämlich bis zu den Knien im Wasser.

Selbstredend lassen wir uns nichts anmerken, lachen ihm freundlich zu, winken und laufen völlig unbeeindruckt weiter. Wer Wattwanderungen nach Baltrum überstanden hat, den juckt doch so eine kleine Pfütze nicht, oder? Pah! Wir sind ja quasi mit nassen Füssen in Gummistiefeln geboren. Jedenfalls behaupten wir das gerne.

Die Realität sieht natürlich ganz anders aus. Selbst das leidenschaftlichste Küstenkind hasst nasse, beschuhte Füße. Somit ist die nächste Treppe dann auch mal ganz fix unsere. Oben angekommen heißt es schnellstmöglich raus aus den Puschen. Nach einigen erfolglosen Versuchen, sowohl Socken als auch Schuhe einigermaßen trocken zu legen, geben wir diesen Kampf auf und bestreiten die restlichen drei Kilometer tapfer mit nassen Füßen gepaart mit nasser Buchse Richtung Elfie. Schön war’s trotzdem.

Erkenntnis

Das gute an wasserdichtem Schuhwerk ist, dass es kein Wasser hineinlässt. Das Dumme an wasserdichtem Schuhwerk ist allerdings auch, dass eventuell doch eingedrungenes Wasser ebenso wenig wieder rausläuft. Dementsprechend muss ich den Hersteller loben: meine neuen Puschen halten, was sie versprechen. Darüber hinaus weiß ich nun, dass deren Fassungsvermögen bei etwa 750 Milliliter liegt. Ein Wissen, um das mich MacGyver sicherlich beneidet hätte.

Unser klägliche Versuch, die Schuhe zu trocknen

Freitag, 04.08.2023 Abfahrt: Wissant Ankunft: Cucq (Pas-de-Calais, Hauts-de-France) (80 Kilometer)

Cucq, Stella Plage

Cucq? Ein ungewöhnlicher Name für dieses kleine Örtchen, dass irgendwie seine besten Tage hinter sich zu haben scheint. Der kostenlose Stellplatz liegt direkt hinter einer der großen Dünen von „Stella Plage“. Die V+E-Station spendet kein Wasser, die Entsorgung ist allerdings möglich. Was wollen wir mehr?

Sonnenhungrige Menschen

Kaum angekommen geht es an den Strand. Dieser ist wirklich schön. Bei den aktuellen Witterungsbedingungen, knapp 19 Grad und windig, würden uns allerdings keine 10 Pferde ins Wasser bekommen. Der harte Kern der Besucher scheint dies deutlich anders zu sehen. Ob zu Lande oder zu Wasser, hier steppt ordentlich der Bär. Nach dem Regen der vergangenen Tage, sind die Menschen hungrig nach Sonne.

Während wir über das Leben und die nächsten Reiseziele philosophieren, laufen wir Richtung Berck. Da unsere Faulheit gewinnt, machen wir nach einigen Kilometern kehrt, um es uns mit einer Tass‘ Kaff‘ gemütlich zu machen. Der Stellplatz hat sich inzwischen ein bisschen gefüllt. Größere, wie kleinere Womos, hauptsächlich aus Benelux.

Stella Plage in Cucq
Yeah! Sonne!
Erst Blau, dann Grau…

Wettersperenzchen

Ich muss an dieser Stelle kurz unterbrechen: das Witzige am Schreiben ist, dass einem auf einmal Worte einfallen, die man gefühlte 100 Jahre nicht mehr verwendet hat, geschweige denn gehört. „Sperenzchen“ ist eines davon. Wer sagt denn heute noch „Sperenzchen“?! Ich anscheinend. Nun aber „flott“…zurück nach Cucq und damit auch zum Dauerregen, der uns mit seinem Repertoire an unterschiedlichen Tropfenformen und Heftigkeit den gesamten Tag über beglückt.

Morgens schaffen wir es noch einigermaßen trocken zum Bäcker um die Ecke. Ein späterer Versuch, uns die vorhandenen Bunkerreste anzuschauen, scheitert aufgrund des schlechten Wetters. Wir werden geradezu sandgestrahlt, zudem fängt es auch noch richtig an zu plästern.

Gegen Abend dreht der ohnehin starke Wind noch auf Sturm. Erneut werden wir ordentlich durchgeschüttelt. So langsam könnt das Wetter aber echt mal besser werden. Wir wollen Sonne! Somit beschließen wir, dass es am nächsten Tag, trotz aller „Slow-Traveling-Vorsätze“, weitergehen wird.

Sonntag, 06.08.2023 Abfahrt: Cucq Ankunft: Montville (Seine-Maritim, Normandie) (156 Kilometer)

Abenteuerliche Anfahrt, schöner Platz.

Manneken Pis

Wir sind traumatisiert, wenn auch nur leicht, aber immerhin! Unglaublich, was manche Männer beim Pinkeln mit ihrem…alles so anstellen…Gott sei Dank, ist unser Nachbar aus Luxemburg heute morgen bei der Verrichtung seines Geschäftes etwas diskreter. Er hat wohl gemerkt, dass unser Auto mehr Fenster hat, als er dachte. Vielleicht hat ihn aber auch seine Frau darauf aufmerksam gemacht, dass er hier nicht so ganz allein ist. Andere Länder, andere Sitten, aber das mit den Frauen ist in jeder Kultur dasselbe: Sie machen ihre Männer „aufmerksam“.

Auf ein Neues

Unsere heutige Route planen wir bewusst so, dass wir meiner Lieblingsstadt, „Mers-les-Bains“, einen Besuch abstatten können. Auf einen Spaziergang muss ich leider aufgrund des Mangels an Parkmöglichkeiten verzichten, aber die Durchfahrt im Schneckentempo entschädigt mich ein wenig. Es ist Saison, das merken wir deutlich. Sowohl in Mers-les-Bains als auch im direkt angrenzenden Le Tréport ist es übervoll.

Dank der Höhe der Elfie habe ich über die Köpfe der Touristen hinweg freie Sicht auf die Kreidefelsen. Diese strahlen einmal mehr um die Wette. Eine absolut imposante Kulisse.

Rein nach Le Tréport…
…raus aus Le Tréport

Hunger!

Aufgrund der überfüllten Parkplätze in Le Tréport und Umgebung finden wir erst gegen 12 Uhr eine Möglichkeit zum Frühstücken. Irgendwo an einer Landstraße vor einer Firma mit Blick auf ein Feld. Es ist Sonntag, herrlich ruhig.

Wir sind ziemlich hungrig. Zum Glück haben wir noch leckeres Baguette und Croissants vom Vortag. Bei Stulle und Kaffee suchen wir nach einem Platz für die Nacht. Montville, ein kleiner Ort mit Freizeitsee, gewinnt den Zuschlag. Die Bewertungen des angepeilten Stellplatzes sind so gut, dass wir es in all unserer Euphorie versäumen, die weiter unten stehenden Kommentare mit der gebührenden Sorgfalt zu lesen. Gut gesättigt und voller Optimismus ahnen wir zu diesem Zeitpunkt nicht, welches neue Abenteuer daher bereits auf uns wartet.

nteUnser Frühstücksgeselle

Auf die Größe kommt es an

Von Nord-Westen aus kommend stehen laut Navigation drei Möglichkeiten zur Verfügung, den Stellplatz zu erreichen. Da wir für die Routenplanung die Maße unserer Elfie nicht angeben, interessieren derartige Trivialitäten, wie Höhen- sowie Breitenbeschränkungen, unsere elektronische Uschi mal so gar nicht. Bei uns persönlich sieht das dann doch schon ’n büschen anners aus.

Bereits das erste Schild weist uns darauf hin, dass wir, sofern wir höher als 2,60 m sind, auf diesem Weg nicht weiterkommen. Mit Antenne erreicht unser Camper dieses Maß mit Leichtigkeit. Trial and Error wäre demnach ein ziemlich gewagtes Unterfangen. Wir beschließen, nach anderen Zufahrtswegen Ausschau zu halten. Zwei weitere Routen zeichnen allerdings dasselbe Bild: „Du kommst hier nicht lang“ heißt es auch dort.

Ein letzter verzweifelter Blick auf die Navigationsoberfläche lässt uns eine vierte Zufahrt erkennen. Nun heißt es, Mut zur Lücke, denn die besagte Straße weist mehr als deutlich darauf hin, dass wir auf ihrem Asphalt nix verloren haben. Aber eine Höhenbeschränkung gibt es nicht.

Was folgt ist ein kurzer Disput, der mit den Worten endet „wenn sie uns anhalten sagen wir einfach, dass wir die Schilder nicht verstanden haben.“ Rabbi hält anfangs noch dagegen: „Ist klar. Ein dicker weißer Balken in der Mitte eines roten, runden Kreises kann auch schon mal missverständlich sein…“ Letztlich hat aber keiner von uns beiden Bock, nach einem anderen Platz zu suchen. Im stillen Einvernehmen heißt es schließlich Augen zu und durch. Möge das Glück mit uns sein.

Die Zufahrt des Grauens

Für Rabbi, der zum einen der selbst ernannte Korinthenkacker der StVZO ist und zum anderen auch noch fahren muss, sind die nächsten 10 Minuten kein Zuckerschlecken. Um es vorweg zu nehmen, das Glück ist uns hold, auch, wenn unser Adrenalinspiegel inzwischen einige Grenzwerte überschreitet.

Die vor uns liegende Straße ist mehr ein enger, bewachsener Radweg. Ein Blick durch die Böschung verrät, dass wir uns ziemlich nah am Abgrund befinden. Bei Rabbi zeichnen sich die ersten Schweißperlen auf der Stirn ab. Ich bin vor lauter Aufregung wieder einmal zu blöd, den Aufnahmeknopf der Videofunktion des Handys zu drücken. Erste Erinnerungen an das traumatische Erlebnis im Zentralmassiv werden wach.

Beide beten wir heimlich, dass uns niemand entgegenkommt. Anscheinend hat man uns im Himmel gehört und bewahrt uns zumindest solange vor Gegenverkehr, bis es tatsächlich eine kleinere Bucht zum Ausweichen gibt. Im Übrigen die Einzige auf der gefühlt nicht enden wollenden Strecke.

Fix und fertig kommen wir schlussendlich in Montville an. Uns erwartet, wie versprochen, ein kleiner, direkt an einer Sport- bzw. Freizeitanlage gelegener Stellplatz mit Seeblick. Um unseren Puls wieder auf Normalwert zurück zu bekommen, umrunden wir diesen als erstes und bummeln dann noch kurz durchs Dorf.

Ein kleiner See lädt direkt zum Spazierengehen ein.
Das wundervolle Rathaus.
In Miniaturausgabe als Büchertauschstation

Nach unserem Ausflug folgt noch – eine für unsere Verhältnisse mäßig leidenschaftliche – Tischtennis-Partie. Der Tag war dann doch recht anstrengend. Wir packen die Schläger wieder ein und schlendern zurück zur Elfie, um den Abend mit einem guten Glas Wein ausklingen zu lassen. Bestens unterhalten werden wir durch die private Boule-Meisterschaft, die just ausgetragen wird und an der anscheinend das gesamte Dorf enthusiastisch teilnimmt.

Es ist ein sehr schöner Platz. Wir beschließen wiederzukommen. Nicht nur, weil Rouen und Paris in überschaubaren Zeiten erreichbar sind, sondern weil es ein echt hübscher Flecken Erde ist.

Ps: Hätten wir die Kommentare zum Stellplatz gelesen, hätten wir gewusst, dass sich die Zufahrt aus unserer Richtung kommend schwierig gestaltet. Aber, was soll’s – wo bleibt denn sonst das Abenteuer, nicht wahr?

Montag, 07.08.2023 Abfahrt: Montville Ankunft: Campigny (Pont-Audemer, Normandie) (79 Kilometer)

Wunderschönes Hinterland der Normandie.

Duclair das kleine Juwel

Nachdem wir der Küste der Normandie ein wenig den Rücken zugekehrt haben, tingeln wir durch das wunderschöne Hinterland. Wir haben einen tollen Stellplatz in Duclair vor einem Friedhof ausgemacht, dort geduscht, uns dann aber gezwungener Maßen zur Weiterfahrt entschieden. Wir haben nichts mehr zu Essen. Leider, denn hier kann man wundervoll oberhalb der Seine spazieren gehen. Vergleichbar mit der Pleister Mühle in Münster. Allerdings deutlich höher gelegen.

Nach Verlassen des Platzes entdecken wir, dass es fußläufig einen Supermarché gegeben hätte. Nu is too late, denn gemäß unserer Devise „umdrehen is nich“ fahren wir weiter. Natürlich nicht, ohne den Platz auf unsere „Hier-fahren-wir-auf-jeden-Fall-noch-mal-hin-Liste“ zu setzen.

Toller Platz.

Die Seine überqueren wir ganz bequem mit der Fähre. Diese ist hier kostenlos, ein Top-Service. Wir haben Glück, denn es geht ohne Wartezeit los. Ich freu mich, wie ein kleines Kind.

Auf der Seine.
Leider war die Fahrt viel zu schnell vorbei.

Up Land!

Nach knapp 80 Kilometern stranden wir in einem ziemlich kleinen Örtchen namens „Campigny“. Hier ist nix. Kein Bäcker, kein Fleischer, kein Supermarkt. Dafür ein Friedhof und eine ganze Menge Kinder. Nachmittags hauptsächlich in kreischender Ausführung unterhalb des sechsten Lebensjahres. Abends in Form kreischender, pubertierende Mädchen und Jungs. Ähnliches Verhalten also, nur oberhalb des sechsten Lebensjahres. Die Jungs machen sich vor ihrer Weiterfahrt noch einen Jux daraus, ihre Mini-Mopeds vor dem Stellplatz ordentlich aufzureißen. Waren wir anders? Nein!

Der Platz selbst ist sehr schön. Gegen Abend wird es sogar recht voll. Acht Womos stehen nun hier. Es gibt einen Picknickplatz. Die Tischtennisplatte nebenan haben wir selbstredend erst einmal bespielt. Nach drei Sätzen in Führung hat Rabbi aufgeholt und zwei Sätze in Folge gewonnen. Dann hatte ich keine Lust mehr. Wer verliert schon gerne. Insbesondere dann nicht, wenn der Kerl sich trotz miserabler Spielleistung permanent selbst feiert? Das können wirklich nur Männer.

Das Internet ist grottig, das Wetter heiter bis wolkig. Anstelle eines Hahnes gibt es einen Esel, der das gesamte Dorf nebst Kirchenglocken in den Abend geleitet und morgens den Tag eröffnen. Herrlich idyllisch.

Wundervolles Umland.
Blick vom Picknick-Platz des Stellplatzes.

Wir machen noch einen kleinen Rundgang durch die Felder und beschließen, morgen die Normandie zu verlassen und der Bretagne „Hallo“ zu sagen. Zum Abschluss des Tages gönne ich mir noch ein Glas Rotwein, lausche den Klängen guter Housemusik und denke mir „das Leben kann echt schön sein.“

Dienstag, 08.08.2023 Abfahrt: Campigny Ankunft: Le Val-Saint Père (La Manche, Normandie) (185 Kilometer)

Sehr schöne Route

Kultur zum Frühstück

Bekanntermaßen sind wir keine begeisterten Anhänger von Reiseführern. Wir lassen uns lieber überraschen. Das ist der Stadt Lisieux aber sowas von gelungen. Die Basilika Saint-Thérèse kann man einfach nicht übersehen. Sollte man aber auch nicht. 95 Meter hoch, von drei Architekten geplant und in den einzelnen Bauphasen begleitet umfasste ihre Bauzeit 25 Jahre. Gut Ding will Weile haben ist wohl ein Schnack, der hier durchaus berechtigt erscheint.

Basilika der heiligen Thérèse in Lisieux
Unbedingt mal anschauen
Was haben wir eigentlich…
…ohne Handies gemacht?

Obwohl wir die Elfie an derartigen Touriplätzen nicht allzu gerne alleine lassen, schlendern wir um die Basilika und staunen über deren Details. Anschließend gibt es noch einen Kaffee, dann geht es weiter.

Französische Dörfer sind die Wucht!

Die abwechslungsreiche Fahrt bis zu unserem heutigen Schlafplatz lässt sich nur schwer in Worte fassen: braun gepunktete Kühe, wundervolle Häuser, traumhafte kleine Dörfer, tolle Landschaften, Felder mit Sonnenblumen soweit das Auge reicht sowie ein unbeschreiblicher Blick in die umliegenden Täler. Sowohl nach rechts als auch nach links, unendliche Weiten. Das Wetter ist im Vergleich zu den vergangenen Tagen besser. Ja, es ist geradezu warm.

Landleben…
…auf französisch.

Schaaafe!

Am Rande einer Schafweide kommen wir an. Eigentlich mit Blick auf Mont Saint Michel, aber da steht jetzt eine niederländische Familie mit ihrem Womo. Macht nix, die Frau ist supernett und wir halten erstmal einen netten Plausch.

Die Schafherde gibt gegen Ende des Abends noch mal richtig Gas. Warum wissen nur die Schafe selbst. Es sieht aber extrem witzig aus. wie die Herde mit ordentlich Schmackes über die Grasnarbe rennt.

Ein bisschen surreal: der Blick über die Weiden
Ohne Zaun mit nur einem Auftrag: ab nach Huus!

Die Nacht ist zwar ruhig, aber irgendwie habe ich trotzdem nicht gut geschlafen. Allerdings lag das nicht an der Umgebung, sondern an dem Mist, den ich geträumt habe. Letzteres erklärt wahrscheinlich auch, warum ich Rabbi im Halbschlaf eine blaue Augenbraue verpasst habe. Obwohl es mir unendlich leid tut, kann ich mir das Lachen nur schwer verkneifen. Die meisten Unfälle passieren tatsächlich im Haushalt, selbst, wenn dieser vier Räder besitzt.

Fahrn‘, fahrn‘, fahrn’…

Wer viel sitzt, sollte zwischendurch in Bewegung bleiben. Also rauf auf die Räder und in die Pedale getreten. Die vor uns liegenden Höhenmeter sind nicht ohne. Zumindest ohne Motor. Nach 20 Kilometern hab ich dann auch die Nase voll bzw. hängt meine Zunge schon fast auf dem Grund. Umgebungstechnisch ist es hier sehr ländlich sittlich, aber wunderschön.

Auf der Rückfahrt kommen wir an einem Mix aus Wohn- und Bauernhaus vorbei, in dem wir sofort einziehen würden: es gibt zwei Pfauen-Pärchen, jede Menge Gänse, Hähne, Hühner und viel Platz umzu. Am meisten angetan haben es Rabbi allerdings die unzähligen Meerschweinchen, die sich auf einer Freifläche tummeln und uns neugierig beäugen.

Draußen lebende Meerschweinchen – wtf!

Unser Traum von einem kleinen Hof samt Kuh, Bulle, Zwergpony, Pferd, Hühnern und mindestens zwei Eseln wird definitiv noch um Meerschweinchen erweitert.

Nach diesem kleinen Abenteuer chillen wir ein bisschen. Wir haben neue Nachbarn. Ein junges Pärchen um die 30 Jahre. Sie versucht sich im Salicorne-Sammeln, ihr Männe holt unterdessen seine Angelrute raus – Contencance, nicht das, was Ihr denkt – es handelt sich tatsächlich um eine Angelrute. Diese schwingt er wichtig durch die Luft. Da weit und breit kein Wasser in Sicht ist, gibt uns dieses Verhalten Rätsel auf. Ist das Fliegenfischen 2.0? Who knows! Wir können uns das Schmunzeln nicht verkneifen. Menschen zu beobachten ist jedenfalls superspannend.

Nach dieser kleinen Showeinlage werfen wir noch einen Blick auf das Kloster, das sich am Horizont abzeichnet, sagen den Schafen gute Nacht und machen uns auf ins Bett.

Mittwoch, 09.08.2023 Abfahrt: Le Val-Saint Père Ankunft: Saint-Jouan-des-Guérets (Ille-et-Vilaine, Bretagne) (63 Kilometer)

Da wir die Küste schon kennen, fahren wir durchs Land.

So slow

Wir lassen es dieses Mal sehr langsam angehen. Anstatt täglich mehrere hundert Kilometer zu fahren, bleiben wir gerne einen Tag länger oder fahren eher kürzere Strecken. Somit erreichen wir heute bereits nach etwa 63 Kilometern unseren nächsten Schlafplatz. Ein kleiner Wanderparkplatz an einer stillgelegten Mühle.

Trotz seiner Abgeschiedenheit ist es ein recht gut besuchter Ort, quasi eine Art „Feierabend-Ausflugsstätte“. Viele Hundebesitzer und Menschen, die am Picknick-Tisch mit Blick auf den See ihr Abendbrot genießen. Ein französischer Vater, der mit seiner Tochter reist, sind unsere neuen Teilzeitnachbarn. Mit Händen und Füßen begrüßen wir uns herzlich, dann machen wir uns etwas zu essen.

Schlafen?

Nachdem die letzten Besucher abgefahren sind, ist es herrlich ruhig. Einzig die Bauern sind noch fleißig. Rabbi macht sein Ding, ich meines. Die Zeit vergeht, wie im Flug und ruckzuck geht’s auch schon wieder in die Koje. Guter Schlaf ist weiterhin Luxus, da das Bett einfach zu kurz ist. Aber, wenn ich dann mal das Gefühl habe, für ein oder zwei Stunden zu schlafen, dann kann es vorkommen, dass ich leicht gereizt reagiere, wenn jemand nebenan meint, Rabotti machen zu müssen. Just geschehen in dieser Nacht!

Familie Terror

Gegen 00:00 Uhr scheint ein Fahrzeug neben uns zu halten. Kein Problem soweit, schließlich kann es schon mal später werden, bevor man seinen Schlafplatz erreicht. Der Fahrer korrigiert noch einige Male, bis er mit seinen Einparkkünsten zufrieden ist. Mit der Überlegung, was in Gottes Namen so schwer daran ist einzuparken, öffne ich zunächst das eine, dann das andere Auge. Ich erwarte einen 12-Tonner und sehe einen…? – einen Mercedes Vito! Kurzzeitig kehrt wieder Ruhe ein.

Gerade wieder eingekuschelt, geht das Spektakel in die nächste Runde. Alle am Auto befindlichen Türen werden aufgerissen und wieder zugeschlagen. Es geht auf, zu, auf, zu etc.. Ein Blick durchs Fenster verrät mir, dass Herr Terror zunächst die Fahrräder rausräumt, diese ankettet, um anschließend noch die Montage des Sichtschutzes vorzunehmen. Selbstverständlich für jedes Fenster einzeln. Letzteres ist natürlich wichtig, wenn man bei völliger Dunkelheit am Hintern der Welt steht. Hase oder Igel könnten einem ja sonst etwas weggucken. Ich verstehe das. Auch die Angst, durch den nahenden Sonnenaufgang (…gegen acht Uhr morgens…) zu Staub zu verfallen, ist für mich durchaus nachvollziehbar.

Was ist allerdings überhaupt nicht verstehe ist, warum man die Türen bis zum Abschluss seiner Tätigkeiten nicht einfach geöffnet lässt, um diese dann leise zu schließen. Dass das nicht Vorhandensein von Licht in den Autos der Nachbarn darauf hinweisen könnte, dass diese schlafen, scheint den beiden Neuankömmlingen jedenfalls nicht in den Sinn zu kommen. Mein Blutdruck rangiert inzwischen abseits jeglicher Normwerte.

You are not alone!

Als die Gemahlin von Herrn Terror, ergo Madame Terror, zu guter Letzt noch beim Outdoor-Pinkeln ihre Stirnlampe – mit der man im Übrigen Flugzeuge vom Himmel holen könnte – dazu nutzt, eine Stadionatmosphäre in unserer Elfie zu schaffen, sehe ich mich gezwungen, kurzzeitig auszuflippen.

Resolut öffne ich das Fenster. Madame ist davon so erschrocken, dass ihr fast das portable Flutlicht vom Kopf rutscht. „Excuse me, you are not alone here, ok?!?“ Es folgt ein kurzes „Oh sorry“. Ich schließe das Fenster. Danach ist Ruhe.

Rabbi, inzwischen ebenfalls wach, amüsiert sich köstlich. Auf die Worte „mein kleiner Pitbull“ folgt ein Kuss und kurze Zeit später ist er wieder im Reich der Träume. Ich hingegen brauche 1,5 Stunden, um wieder einzuschlafen.

Während ich mich von einer Seite auf die andere drehe überlege ich, wann es eigentlich modern geworden ist, an oder neben sein Auto zu pinkeln? Markieren wir nun neuerdings so unser Revier? Die Antwort bleibe ich mir schuldig, kann aber Dank der drei Fragezeichen gegen halb zwei endlich wieder einschlafen.

Am nächsten Morgen bin ich, wie gerädert. Die Vito-Fraktion schläft noch den Schlaf der Gerechten. Dem Sichtschutz sei Dank! Bevor die beiden mir noch über den Weg laufen, machen wir uns startklar. Die Küste lockt bei diesem Wetterchen einmal mehr.

Der Weg reichte leider nicht für den Gang um den See.
Die stillgelegte Mühle.
Während hier die meisten chillen…
…drehen diese beiden erst richtig auf.

Mit dem folgenden fantastischen Gefährt schließen wir diese erste Woche. In den nächsten sieben Tagen erkunden wir schöne Buchten, springen das erste Mal in die Fluten und verlieben uns in eine wunderbare kleine Stadt im Trégor. Á bientôt nos amis!

Als Baby für mich die beste Wiege der Welt: eine Fahrt in der Ente meiner Mutter. Natürlich auf dem Rücksitz.

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