Geschichten

Wie alles begann…

An einem lauen Abend im Mai 2019 saßen wir bei einem befreundeten Pärchen und genossen die gemeinsame Tasse Feierabendbier. Die Beiden kamen gerade von ihrer Wohnmobil-Tour zurück und waren am schwärmen. Er, von Kindesbeinen an absolut campingerprobt, für seine Frau war es das erste Mal. Rabbi und ich hatten diesbezüglich wenig vorzuweisen. Das Geld unserer Eltern war knapp und Reisen mit Zelt, Wohnwagen oder Wohnmobil eher sporadisch. Man gut, denn wir gehörten mehr zur Kategorie „Heimscheisser“** und zogen kleine, kuschelige Hotels mit Halbpension einem Camping-Urlaub vor.

Urlaub mit dem Wohnmobil? – Niemals!

Noch an diesem Abend ahnte Rabbi, dass er die nächsten Tage ein dickes Fell benötigte. In gewohnter Weise ging ich ihm nämlich wieder einmal richtig auf den Keks: „Lass uns das auch machen, los. Ich brauche nur mein eigenes Klöchen, Duschen auf dem Campingplatz ist ok, büdde!!“ Seine Reaktion war eindeutig: „Nein! Niemals! Außerdem habe ich das Hotelzimmer schon gebucht.“

Ich legte noch eine Schippe drauf und zog alle Register. Nach einer Woche hatte ich ihn dann endlich soweit. „Wenn Du noch ein Fahrzeug zur Miete bekommst, dann storniere ich das Hotel.“ Mir war klar, dass er davon ausging, dass ich scheitern werde, denn die Camping-Saison hatte bereits begonnen.

Er hätte es besser wissen müssen, denn bei unserer Hochzeit war es ähnlich: „Wenn Du alles organisierst, bin ich dabei“ sagte er damals, als ich ihm vorschlug, die Sache mit dem Heiraten doch mal auszuprobieren. Dumm für ihn, denn innerhalb von vier Wochen stand das ganze Spektakel. Aber zurück zum Wohnmobil.

In diesem Fall gestaltete sich die Suche nach einem passenden freien Gefährt tatsächlich etwas schwieriger. Aber ich wurde fündig. Sogar in derselben Stadt. Das Hotelzimmer wurde storniert und wir machten den besten Urlaub unseres Lebens.

Unser super Leihmobil, das wir mit 0 Kilometern übergeben bekamen.

Danke an den Essener aus Rosenheim

Mit einer Verabredung für das Jahr 2020 im Gepäck- selber Zeitpunkt, selber Campingplatz – machten wir uns geradezu euphorisiert auf den Weg zurück nach Hause. Natürlich nicht, ohne bei einem der größten Wohnmobil-Händler Deutschlands vorbeizuschauen. Für uns war klar: wir wollten so ein Ding, wir wussten nur noch nicht, was es werden sollte.

Wir kamen zu spät. Aber dieser Abstecher sollte sich als Glücksfall für uns herausstellen. Auf dem firmeneigenen Stellplatz kamen wir mit einem sehr netten Herren ins Gespräch. Seitdem er im Ruhestand war, fuhren er und seine Frau in einer Art „Dickschiff“ abwechselnd nach Schweden oder nach Spanien. Diesem Herren hatten wir es zu verdanken, dass wir uns die Elfie zulegten, denn er gab uns folgende Überlegungen mit auf den Heimweg: „Ihr seid beide berufstätig, habt maximal 30 Tage Urlaub im Jahr. Das heißt, Ihr wollt auch die Wochenenden nutzen. Also müsst Ihr schnell von A nach B kommen. Dazu wohnt Ihr in der Stadt, habt keinen eigenen Parkplatz vor der Tür. Ihr braucht also ein Fahrzeug, dass Ihr auch vernünftig parken und vielleicht sogar im Alltag nutzen könnt. Kauft Euch erstmal einen Kastenwagen, so sind wir auch angefangen.“

Zuhause angekommen machte sich Rabbi direkt an die Recherche. Dann ging alles ganz fix. Im Juli 2019 bestellten wir unseren heutigen Adria SGX 640, unsere Elfie.

Nach der Freude folgte die Ernüchterung

Sieben Monate später nahmen wir bei schönstem Sonnenschein, wie mit dem Händler vereinbart, unseren Kastenwagen in Empfang. Bis dahin glaubten wir noch an unsere Gardasee-Verabredung im Mai. Wir freuten uns darauf unsere Bekannten aus dem Vorjahr, dieses Mal mit eigenem Gefährt, wiederzusehen. Schade war nur, dass wir diesem netten Herren aus Essen nicht sagen konnten, dass wir seinem Rat Folge leisteten.

Stolz, wie Bolle fuhren wir nach Hause und begannen mit dem Einräumen. Niemals hätten wir gedacht, dass unser Schmuckstück zum Eklat der Reihenhausgemeinschaft werden sollte, aber noch am selben Tag begrüßte uns unsere Nachbarin mit den Worten: „Was habt Ihr Euch denn da für ein hässliches Auto gekauft?“ Rumms, das hatte gesessen. Das Ganze gipfelte darin, dass wir von dort an fast täglich ihrem Unmut ausgesetzt waren. So kam es, dass wir uns im Haus immer weniger wohlfühlten und spätestens freitagsmittags die Flucht ergriffen.

Wo liegt eigentlich Wuhan?

Allerdings gab es eine Einflussgröße, die unseren wöchentlichen Fluchtreflex ausbremste: Corona. Gefühlt änderte dieser Eingriff in unser bisheriges Leben so ziemlich alles. Sozialkontakte liefen gen Null, Homeoffice wurde zum State of the Art, Wohnmobil-Stellplätze gesperrt und unsere Gardasee-Verabredung verschob sich auf unbestimmte Zeit.

Dank unserer Familie hatten wir einen sicheren Heimathafen im Norden, so kamen wir raus. Sofern die Lockdown-Vorschriften es zuließen, fuhren wir an den Edersee oder an den Mittelrhein. Das Jahr über pendelten wir so zwischen Nordsee, Hessen und Pfalz. Wir genossen diese Auszeiten in vollen Zügen.

Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: wir sind bis heute unglaublich dankbar, denn im Gegensatz zu vielen Anderen hatten wir ein Haus mit reichlich Platz und ein Wohnmobil, das es uns ermöglichte, aus dem grauen Alltag auszubrechen.

Weniger ist soviel mehr

Wenn wir sonntagsabends nach Hause kamen, sprang Rabbi als erstes unter die Dusche. Mit seinen 1,89 Meter war das Bad im Kastenwagen für ihn mit einer Sardinenbüchse vergleichbar. Er genoss die warme Brause zuhause, in der er sich umdrehen konnte, ohne irgendwo anzuecken. Für mich war es eher umgekehrt. Die Größe der Dusche in der Elfie war optimal und das Bad im Haus wirkte, wie eine große Halle.

Je mehr Zeit wir im Kastenwagen verbrachten, desto mehr stellten wir unseren bisherigen Lebensstil infrage. Im Wohnmobil brauchten wir keinen Vollautomaten, sondern brühten den Kaffee von Hand. Wir brauchten keine 10 Teller, 5 Töpfe und 3 Pfannen. Anstatt zweimal am Tag zu duschen, erfuhr der gute alte Waschlappen seine Renaissance. Diese Überschaubarkeit im Wohnmobil war für uns, wie eine Reise in eine Zeit, in der weniger mehr war und das fühlte sich gut an.

Make a Change!

Es war so paradox: wir strebten nach immer mehr Geld, um uns einen Luxus zu leisten, den wir auf einmal gar nicht mehr als notwendig erachteten. Damit hatte das Motto „höher, schneller, weiter“ seinen Reiz verloren und das, mit gravierender Auswirkung auf einen großen Teil unseres Lebensinhaltes.

Um der aufkeimenden Verunsicherung entgegen zu wirken, taten wir das, was sicherlich viele von Euch taten: wir versuchten, die Kontrolle wiederzuerlangen. Wir konzentrierten uns auf die Aspekte, die wir beeinflussen konnten: wir brachten unseren Garten auf Bundesgartenschau-Niveau, fingen an Gemüse zu ziehen und selbst der Keller sah aus, wie geleckt.

Unsere Shoppingtouren wurden durch Spaziergänge in freier Natur abgelöst. Alles, was wir unter der Woche sonst mit dem Auto erledigten, bestritten wir jetzt mit dem Rad oder zu Fuß. Die Joggingbuchse wurde von uns zum It-Piece auserkoren, ganz zum Leidwesen von Karl Lagerfeld. Gott hab ihn…naja, Ihr wisst schon.

Logische Konsequenz

Ironischer Weise gefiel uns diese Art zu Leben. Ein solches Eingeständnis wäre vor der ganzen Pandemie-Misere unvorstellbar gewesen. Jetzt aber erschien einiges in einem anderen Licht.

Uns wurde bewusst, dass wir im Job und mit dem Haus das für uns Mögliche erreicht hatten. In den vor uns liegenden Jahren ging es also um deren Bestandserhaltung. Ein Umstand, der uns auf einmal zu wenig erschien. Wir wussten zwar nicht, wie die Alternative aussehen sollte und ehrlich gesagt, wissen wir es bis heute nicht. Instinktiv spürten wir, dass die Zeit für einen Systemwechsel mehr als reif war. Ohne vieler Worte beschlossen wir daher Ende 2020, das Haus wieder zu verkaufen und in die Elfie zu ziehen.

**Entschuldigt bitte den Ausdruck, manche Dinge kann man einfach nicht treffender beschreiben.