Geschichten

Budget? Welches Budget?

Das ganze Thema „Ausstieg“ entwickelte sich in den letzten Monaten zu einer echten emotionalen Achterbahnfahrt. Rabbi formulierte vor einigen Tagen sehr treffend „Das Haus zu verkaufen war wesentlich einfacher, als den Job zu kündigen.“

Wir wussten von vornherein, dass unser Klingelbeutel nicht bis zur Rente reicht. Dass dieser sich nun aufgrund der Weltsituation derart minimiert, überraschte uns schon ein bisschen, daher sprechen wir mittlerweile täglich darüber, ob eine Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt das Richtige sei.

Krönchen rücken undso…

Aber Entmutigen lassen ist nicht drin! Auch, wenn wir nach unseren zahlreichen Telefonaten mit der Rentenkasse, mit dem Arbeitsamt oder mit den Krankenkassen, zunehmend desillusioniert sind.

Bei all dem mulmigen Gefühl in der Magengegend, wollen wir unser Vorhaben nicht aufgeben. Allerdings müssen wir früher, als geplant überlegen, wie wir perspektivisch unseren Etat aufstocken. Mit den im Internet kursierenden Budgetangaben kommen wir lange nicht hin und bestimmte Positionen sind leider unumgänglich, wie z.B. die Krankenkassenbeiträge.

Die Frage, ob wir uns über ein mögliches Worst-Case-Szenario keine Gedanken gemacht hätten, ist durchaus berechtigt. Die Antwort lautet: Jein. Zum einen sind wir oft geneigt, die Augen vor dem vermeintlich Unausweichlichen zu verschließen und zum anderen sind wir in die Themen deutlich besser reingewachsen. Folglich können wir wesentlich konkreter unsere Fragen an die entsprechenden Stellen richten, erhalten aber im Gegenzug Antworten, die sich sonst nur im Kleingedruckten wiederfinden. Dieser Umstand fordert uns immer wieder zum Nachjustieren auf.

Mutig oder leichtfertig?

So mancher Coaching-Experte wäre sicherlich begeistert, wie lehrbuchmäßig Rabbi und ich bei unseren Überlegungen vorgingen: wir machten uns Pro- und Kontralisten, hielten einen selbst-moderierten Brainstorming-Nachmittag ab, sind verschiedene Alternativen zur Kündigung durchgegangen und haben alles dokumentiert (Was wäre wenn…? Wo siehst Du Dich, wenn Du den Schritt gegangen bist…? Wo, wenn Du so weiter machst, wie bisher…? usf.).

Wir produzierten auf diese Weise massenhaft Flipchart-Folien. Voll mit all unseren Sorgen, möglichen Konsequenzen und Ideen. Ganz im Sinne unserer Vita haben wir Themen in Form von Projekten abgearbeitet und uns zwei Mal wöchentlichen Termine eingestellt, um den Status Quo abzufragen, inklusive OPL (offene Punkte-Liste).

Für die reine Informationsbeschaffung war dieses Vorgehen super. Für unsere Entscheidungsfindung jedoch, war die Ergebnisausbeute recht überschaubar. Schlimmer noch, in uns wuchsen Zweifel. Nicht an der Sache an sich, sondern in erster Linie an uns selbst. Herr Friedemann Schulz von Thun würde spätestens jetzt den inneren Kritiker auf dem Vormarsch sehen. Wie dem auch sei, von einem leichtfertigen Handeln sind wir auf jeden Fall weit entfernt. Also doch eher mutig?

Unser Projekt „Schlüsselübergabe“, nachdem wir beschlossen hatten, das Haus zu verkaufen.

Wer hat soviel Pinke-Pinke…?

Fakt ist, dass wir auf dem Papier noch 17 bzw. 20 Jahre lang arbeiten müssen. Wenn unsere Staatsmänner die Schulden noch weiter ausbauen, kommen vielleicht noch ein paar Jährchen oben drauf. Wer weiß das schon.

Legen wir den von uns kalkulierten Betrag von 3.000,- Euro pro Monat zugrunde und lassen die Inflationsrate außen vor, bräuchten wir nach Adam Ries bis zur Rente mindestens 666.000,- Euro. Vorausgesetzt wir werden 67 Jahre alt.

Schaffen wir den Einritt ins Rentendasein und sitzen vielleicht noch ein paar weitere Lebensjahre drin, wird das, was bis dahin im Rententopf aufgelaufen ist, für den täglichen Bedarf nicht reichen. Also müssen wir aufstocken. Ausgehend von einem reduzierten, altersgemäßen monatlichen Budget, kämen schätzungsweise 72.000,- Euro on top. Also, wenn jemand von Euch nicht weiß, wohin mit seinem Geld, wir nehmen es gerne. Nur ein Spaß!

Bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen: Die Kohle haben wir nicht. Je nach Weltkrisenlage müssen wir demnach in zwei, spätestens aber in 4 Jahren wieder Einkommen generieren. Eigentlich eher in zwei, denn bereits jetzt zeichnet sich ab, dass wir unserer Elfie entwachsen und ein neues Wohnmobil brauchen. An dieser Steller erhöht sich der Schwierigkeitsgrad um einen weiteren Punkt: der Preisexplosion auf dem Camping-Sektor. Einfach kann aber ja auch jeder, oder?

Und wat nu?

Auf einen Lottogewinn zu spekulieren, wäre dann doch etwas naiv. Wenn wir ehrlich sind, können wir uns ein Leben ohne Job bei aller Entdeckungsfreude gar nicht vorstellen.

Wenn wir 10 Jahre jünger wären, würden wir uns bezüglich eines Wiedereinstiegs in den Job gar keine großartigen Gedanken machen. Nach ein bis zwei Jahren Auszeit – ein „Sabbatical“ sozusagen, würden uns die Firmen wahrscheinlich mit Kusshand nehmen und wir mit einigen Erfahrungen mehr im Gepäck im besten Fall motiviert wieder ins Tagesgeschäft eintauchen. Stünden wir bereits kurz vor der Rente, wäre das Ersparte gegebenenfalls ausreichend.

Wenn der Hund nicht den Hasen…hat er aber! Denn wir sind nun mal keine 30 und auch keine 65 Jahre, sondern in einem Alter, indem wir zu alt für eine berufliche Pause und zu jung für die Rente sind. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille.

Der Blick auf die Endlichkeit des Lebens ist die andere. Auch, wenn wir es uns nicht gerne eingestehen, die Einschläge kommen näher. Also fragen wir uns: wenn wir jetzt nicht unsere Träume leben, wann denn dann? Ist das Durchstarten im Rentenalter noch zeitgemäß?

Kurze Anmerkung: Paradoxer Weise gehen wir in unserer Pro-Ausstiegsargumentation davon aus, dass permanent die potentielle Gefahr bestünde, dass wir die Radieschen auf einmal nur noch von unten betrachten könnten. Realistisch betrachtet ist das ja auch so. Niemand weiß, was morgen ist. Bei unseren Berechnungen für das benötigte Gesamtbudget unterstellen wir allerdings, dass wir nach Renteneintritt beide noch locker 15 Jahre durchhalten. Das ist die Ironie des menschlicher Rationalismus par exzellence. Aber das nur am Rande.

Der Sprung ins saukalte Wasser

Der Spruch „Einfach machen, es könnte gut werden“ beinhaltet soviel Wahrheit und ist gleichzeitig so unglaublich schwer umzusetzen. In unserem Streben nach Sicherheit, gehen wir in der Regel davon aus, dass wir eine Bauchlandung hinlegen, anstelle an das Positive zu glauben.

Und genau das ist der springende Punkt bzw. das hüpfende Komma, wie es einst Heinz Ehrhardt formulierte. Bei jedem Zweifel sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, dass unsere Chancen bei 50:50 stehen. Und, wenn es tatsächlich nachher daran scheitert, dass uns der Arbeitsmarkt nicht mehr will, dann wird uns etwas einfallen.

Wir beide sind keine „Hätte-Menschen“ – „Hätten wir mal gemacht…“ Ob die Kündigung ein Fehler war oder nicht, werden wir frühestens in ein bis zwei Jahren wissen. Aber eines können wir heute schon sagen: wir haben bislang nicht mit Reue auf unser Leben zurückgeschaut und wir werden es tunlichst vermeiden, dies in Zukunft zu tun.

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